Maxim Pliuto: „Bei der HSG wird Handball richtig gelebt“
Maxim Pliuto wechselte im Sommer vom OHV Aurich zur HSG Konstanz. Dort startete der Linksaußen in der letzten Partie vor der Länderspielpause mit acht Treffern gegen Pforzheim richtig durch. Der gebürtige Ostfriese mit familiären Wurzeln in Belarus wurde im Handball-Internat der MT Melsungen ausgebildet und war bei der Jugend-EM für Belarus erfolgreich. Der 23-Jährige gelernte Industriekaufmann trainiert die F-Jugend und arbeitet stundenweise bei HSG-Partner Steuerbüro Martin Kohn, sein Vater war A-Nationalspieler für Belarus.
Im Interview spricht Pliuto über Geduld, die neue Mannschaft als zweite Familie, Unterschiede des Handballs zwischen Norden und Süden und das Spitzenspiel Erster gegen Vierter zwischen der HSG Konstanz und der SG Leutershausen am Samstag, 20 Uhr, in der Schänzle-Hölle. Außerdem gewährt er einen Einblick in den Austausch mit seinem Bruder Nikita (TuS Ferndorf) – mit einem möglichen Aufeinandertreffen in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Tickets gibt es unter www.hsgkonstanz.de/tickets.
Maxim, nach neun Spielen gab es die erste kleine Pause, um etwas Durchzuatmen. Sind die Akkus nun wieder aufgeladen?
Nach elf Stunden Fahrt – erst mit Niklas (Ingenpaß, Anm. d. Red.) bis nach Essen und dann weiter mit dem Zug – habe ich mich sehr gefreut, Familie, Freundin und Freunde wieder an der Nordsee zu sehen. Das tat sehr gut.
Kurzer Rückblick: Vor der Pause warst du nach der Verletzung von Aron Czako in der Verantwortung. Mit acht Toren hat das gut geklappt.
Das hat sich sehr gut angefühlt. Auf diesen Moment habe ich lange gewartet. Wie Jörg (Lützelberger, Anm. d. Red.) schon gesagt hatte: Ich bin geduldig geblieben und habe mir selbst keinen Stress gemacht. Ein bisschen Druck war schon da, schließlich möchte ich mich hier beweisen. Schon als ich aufgestanden bin, hatte ich ein gutes Gefühl. Meine Eltern waren beim Spiel in der Halle. Dass es dann acht Tore werden, super – es hat alles gepasst. Ich muss mich aber auch bei meinen Mitspielern bedanken, die mir das Vertrauen geschenkt und mich in Szene gesetzt haben.
Wie bewertest du den bisherigen Saisonverlauf?
Ich finde, wir machen das als Team ganz gut und steigern uns von Spiel zu Spiel. Wir sind immer noch ungeschlagen – als einer von vier der insgesamt 64 Drittligisten in allen Staffeln. Wir wollen nun mit Vollgas da weitermachen, wo wir vor der Pause aufgehört haben und in den sechs Spielen bis Weihnachten weiter ohne Niederlage bleiben.
Und aus persönlicher Sicht?
Ich fühle mich pudelwohl. Die Mannschaft ist bereits so etwas wie eine zweite Familie geworden. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde. Für mich heißt es weiter Gas zu geben, möglichst viele Spielanteile zu erhalten, mich beweisen, der Mannschaft helfen und einfach Spaß zu haben.
Du kamst fast aus dem äußersten Norden ganz in den Süden Deutschlands. Hast du Unterschiede festgestellt?
Mir ist aufgefallen, dass im Süden deutlich schneller Handball gespielt wird. Das Tempo ist anders. In Konstanz wird Handball richtig gelebt. Dass, egal ob auswärts oder daheim, die Hälfte der Zuschauer gelbe und blaue Trikots trägt, ist sehr beeindruckend. Dass die Fans uns mit mehreren Bussen begleiten – Wahnsinn. Was den Sport angeht, hatten wir in Aurich viele erfahrene Spieler. Bei der HSG sind wir alle im gleichen Alter, geben Vollgas in jedem Training.
Du sprichst die HSG-Fans an: Wie hast du die Unterstützung und das Umfeld der HSG in deinen ersten Wochen wahrgenommen?
Überragend! Es macht total Spaß, sich nach den Spielen auszutauschen und auch auswärts immer die volle Unterstützung zu haben. Mein Vater hat gesagt: Ganz schön laut hier in der Schänzle-Hölle. Wie sehr hier Handball gelebt wird, hat mich überrascht. Unfassbar, was die Fans in ihren vielen gelben und blauen Trikots auf der Tribüne leisten.
Wo trifft man dich an, wenn du nicht in der Halle bist?
Stundenweise arbeite ich bei unserem Partner Steuerbüro Martin Kohn. Ansonsten testen wir die Cafés der Stadt aus und sind mit den Jungs zusammen unterwegs. Wenn noch freie Zeit vorhanden ist, werfe ich auch gerne einmal die Playstation 5 an und messe mich mit meinem Bruder.
Dein Bruder Nikita spielt beim TuS Ferndorf, Tabellenführer der 3. Liga Süd-West. Tauscht ihr euch regelmäßig aus und ist euch bewusst, was kommen könnte, wenn die HSG Rang eins und Ferndorf zwei in seiner Staffel belegt oder umgekehrt?
(lacht) Wir telefonieren jeden Tag, tauschen uns aus wie es läuft und sehen uns jedes Spiel des anderen an. Er war schon bei uns in der Halle, ich bei ihm. Somit kennen wir das Team des anderen bestens. Wie es sein würde, in der Aufstiegsrunde direkt aufeinanderzutreffen, haben wir auch schon besprochen. Dann sind wir auf dem Platz Gegner, keine Brüder. Ein Traum wäre es, wenn wir beide aufsteigen würden. Bis dahin ist es aber noch ein ganz langer Weg.
Unmittelbar bevor steht das Spitzenspiel am Samstag, 20 Uhr, in der Schänzle-Hölle gegen die SG Leutershausen: Erster gegen Vierter. Bist du schon heiß?
Darauf freue ich mich riesig. In der Schänzle-Hölle spielen zu dürfen, ist jedes Mal ein Privileg. Leutershausen ist eine richtig starke Mannschaft, darum stehen sie auch da oben. Wir werden wieder gut von unserem Trainerteam vorbereitet, zusammen mit der Atmosphäre in unserer Halle wollen wir hier unsere Erfolgsserie ausbauen.
Auf der Tribüne werden dabei wieder viele kleine Kids aus der F-Jugend mitfiebern, die du trainierst. Zusatzmotivation?
Die Kinder machen unglaublich viel Freude. Es ist richtig süß, wie man in jedem Training von ihnen gelöchert wird. Das war bei mir früher nicht anders. Wenn wir uns beim Spiel sehen und zuwinken, ist das immer toll und eine große Freude für uns alle. So viele talentierte Kinder wie bei der HSG in ihren kleinen Trikots und Trainingsanzügen durch die Halle rennen – auch hier spüre ich, wie sehr Handball hier gelebt wird.
Fragen: Andreas Joas